Eingruppierung von Ingenieuren, Technikern und Meistern
Der Deutsche Qualifikationsrahmen hat keine Bedeutung für die Eingruppierung
Im Deutschen Qualifikationsrahmen stehen Ingenieure, Techniker und Meister auf der 6. Bildungsebene. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass Techniker und Meister wie Ingenieure eingruppiert werden, wie eine Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 01.07.2020 zeigt.
Ein Beschäftigter war bei dem Arbeitgeber als Fachkraft für Arbeitssicherheit tätig. Er erhielt Entgelt nach Entgeltgruppe 9b Teil III Abschnitt 41 EntgO Bund (Technikerinnen und Techniker). Nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und einigen Jahren Berufstätigkeit in diesem Beruf, ließ er sich zum staatlich anerkannten Umwelttechniker mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik ausbilden und absolvierte eine 240-stündige Ausbildungseinheit zur Fachkraft für Arbeitssicherheit. Darüber hinaus nahm er an einem Strahlenschutzseminar nebst praktischen Übungen im Umfang von 84 Stunden teil.
Als Fachkraft für Arbeitssicherheit beriet der Beschäftigte den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen (FE-Leiter, Laborleiter etc.) insbesondere bei
- der Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen und von sozialen und sanitären Einrichtungen,
- der Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und der Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen,
- der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln,
- der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsumgebung und in sonstigen Fragen der Ergonomie,
- der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Unterstützung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung).
Neben ihm beschäftigte der Arbeitgeber zwei Ingenieure als Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Der Beschäftigte machte die Eingruppierung nach Entgeltgruppe 12 Teil III Abschnitt 25 EntgO Bund geltend. Er sei zwar kein Ingenieur, aber „sonstiger Beschäftigter“.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (01.07.2020 - 6 Sa öD/20) hat die Klage abgewiesen. Der Beschäftigte sei kein „sonstiger Beschäftigter“, denn seine Kenntnisse entsprechen nicht in Breite und Tiefe denen eines Ingenieurs.
Allein die Verrichtung von entsprechenden Tätigkeiten lässt nicht darauf schließen, dass die subjektive Voraussetzung des „sonstigen Beschäftigten“ erfüllt ist. Dabei wird nicht übersehen, dass es grundsätzlich möglich ist, aus der ausgeübten Tätigkeit des Beschäftigten Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen. Hieraus kann aber nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts weder ein Rechtssatz noch der allgemeine Erfahrungssatz hergeleitet werden, dass ein „sonstiger Beschäftigter“ immer dann, wenn er eine „entsprechende Tätigkeit“ ausübt, auch über „gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen“ im tariflichen Sinn verfügt. Vielmehr muss auch dann, wenn der Beschäftigte eine „entsprechende“ Tätigkeit ausübt, geprüft werden, ob er das Wissensgebiet eines Ingenieurs mit ähnlicher Gründlichkeit beherrscht. Diesen Beweis konnte der Beschäftigte nicht führen.
Durch die Ausbildung zum staatlich anerkannten Umwelttechniker oder weitere Qualifizierungsmaßnahmen wird kein Wissen und Können erlangt, wie es ein Ingenieurstudium vermittelt. Die Ausbildung zum staatlich anerkannten Umwelttechniker entspricht nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht einem technischen Hochschulstudium im Sinne der Entgeltordnung Bund. Gleiches gilt für die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker.
Die Tarifvertragsparteien haben, wie die Entgeltordnung des Bundes zeigt, zwischen Technikern und Beschäftigten mit technischer Hochschulausbildung unterschieden. Was eine technische Hochschulausbildung ist, definiert § 9 Satz 1 Entgeltordnung Bund. Sie liegt vor, wenn ein Bachelor- bzw. entsprechender Hochschulabschluss an einer Hochschule im Sinne von § 1 HRG erlangt wurde, der den Zugang zur Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes des Bundes eröffnet. Dagegen sind staatlich geprüfte Techniker Beschäftigte, die nach dem Berufsordnungsrecht berechtigt sind, diese Berufsbezeichnung zu führen, § 10 Abs. 2 Entgeltordnung Bund. Beide Regelungen finden sich im Abschnitt II unter der Überschrift „Voraussetzungen in der Person“. Die Tarifvertragsparteien haben damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich aus ihrer Sicht um unterschiedliche Qualifikationen handelt, die keineswegs gleichgesetzt werden können. Die Verwendung des einen oder des anderen Begriffs kann daher nur als bewusste Entscheidung der Tarifvertragsparteien verstanden werden, welche subjektiven Voraussetzungen für die Eingruppierung vorliegen müssen.
Der von der Bundesregierung und den Ländern gefassten Beschluss zum Deutschen Qualifikationsrahmen führt zu keiner anderen Beurteilung. Hätten die Tarifvertragsparteien nämlich auf diesen Rahmen abstellen wollen, hätten sie nicht systematisch stets das Hochschulstudium als Eingruppierungsmerkmal vereinbart, sondern hätten daneben die Techniker erwähnt. Wäre der Beschluss zum Deutschen Qualifikationsrahmen maßgebend, verfügten nämlich staatlich geprüfte Techniker stets über gleichwertige Fähigkeiten wie ein Hochschulabsolvent. Die in den §§ 9 und 10 der Entgeltordnung Bund angelegte Unterscheidung bliebe unbeachtet. Damit würde der in der erst seit dem 05.09.2013 existierenden und seitdem mehrfach geänderten Entgeltordnung des Bundes zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien, unterschiedliche subjektive Voraussetzungen zu definieren, übergangen.
Der Beschäftigte hat auch durch die zusätzlich zu seiner Berufsausbildung absolvierte Ausbildungseinheit zur Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie das Strahlenschutzseminar kein Wissen und Können erlangt, wie es in einem Ingenieurshochschulstudium vermittelt wird. Die Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit umfasste 240 Stunden, das Strahlenschutzseminar dauerte 80 Stunden. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht dargelegt hat, welche konkreten Kenntnisse inhaltlich vermittelt worden sind, zeigt bereits der Umfang von 240 bzw. 80 Stunden, dass kein Wissen in der Tiefe und Breite eines technischen Hochschulstudiums vermittelt worden sein kann.
Verfasserin und PIW-Trainerin: Rechtsanwältin Britta Ruiters
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