Ist die Tätigkeit einer Teamleitung für Beihilfeangelegenheiten eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit?

Kommentar zum Urteil: LAG Hamm 19.05.2021 – 3 Sa 1262/20

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Die Tätigkeit einer Teamleitung für Beihilfeangelegenheiten erfüllt nicht die Voraussetzung der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit i.S.v. Entgeltgruppe 9c TV EntgO Bund. Dies hat das LAG Hamm festgestellt.

Der Beschäftigte leitete eines von vier Teams für Beihilfeangelegenheiten. Er war, wie alle anderen Teamleiter, eingruppiert in EG 9b TV EntgO Bund. Ihm waren sechs Beschäftigte fachlich unterstellt, die nach EG 9a TV EntO Bund eingruppiert waren. Darüber hinaus nahm er gruppenübergreifende Aufgaben wahr, wie z. B. die Erstellung von Formularen und die Darstellung des Internet- bzw. Intranetauftritts der Behörde in Bezug auf die Beihilfeangelegenheiten.

Die Wahrnehmung der Leitungsfunktion für das Team reichte dem LAG Hamm in diesem Fall nicht aus für die Feststellung der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit, weil der Beschäftigte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen sei. Er hätte eine Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern benennen müssen, deren Tätigkeiten entsprechend der Ausgangsfallgruppe bewertet sind. Um vergleichbar zu sein, muss die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer zumindest eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen mit derjenigen aufweisen, die von dem klagenden Arbeitnehmer ausgeübt wird. Sodann ist darzulegen, dass die von den Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe ausgeübten Tätigkeiten (mindestens) die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Ausgangsfallgruppe erfüllen.

Der Kläger hatte vorliegend die anderen 3 Teamleitungen, die wie er in EG 9b eingruppiert sind, als Vergleichsgruppe benannt. Da seine Tätigkeiten im Wesentlichen identisch waren, konnte das LAG Hamm keine Steigerung der Verantwortung erkennen. Grundsätzlich könne sich aber aus einer Leitungsfunktion eine besondere Verantwortung ergeben (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 02.12.1998, 4 AZR 99/98, Sachgebietsleiterin im Sozialamt).

Auch aus der Bearbeitung von Widerspruchsbescheiden hat das Gericht die begehrte Höhergruppierung nicht hergeleitet, da der Beschäftigte die Widerspruchsentscheidungen nur vorbereitete, sie aber nicht endgültig treffen würde. Zudem würden Beihilfeberechtigte gegen aus ihrer Sicht unzutreffende, ablehnende Widerspruchsentscheidungen regelmäßig Rechtsmittel ergreifen. Beamten sei allgemein die Inanspruchnahme von Rechtschutzmöglichkeiten nicht fremd und sie verfügen über die Möglichkeiten, sich gegen eine Ablehnung ihres Gesuchs zu wehren. Der Teamleiter sei somit zwar die erste, aber nicht die letzte Instanz. Rein faktische Wirkungen, die dazu führen, dass ein Beihilfe versagender Bescheid und die nicht erfolgende Abhilfe durch den Beschäftigten praktisch unumkehrbar sind, hat der Teamleiter nicht dargetan (vgl. dazu BAG, 21.01.2015, 4 AZR 253/13).

Der Teamleiter erstellte darüber hinaus Formulare und Informationsschreiben als Arbeitsgrundlage für die Beihilfefestsetzer. Diese Tätigkeiten beziehen sich nicht auf das tarifliche Tätigkeitsmerkmal der besonderen Verantwortung. Sie berühren das tarifliche Merkmal der Fachkenntnisse (vgl. dazu LAG Hamm, 11.04.2018, 6 Sa 1697/17, Rn. 79; 06.02.2002, 18 Sa 532/01, Rn. 72). Die Erstellung von z. B. Formularen und die Beratung bei schwierigen Sachverhalten setzen erheblich größeres Fachwissen und Erfahrung voraus als die Tätigkeit der späteren Anwender. Die Beihilfefestsetzer und die Teamleiter bleiben aber für die ordnungsgemäße Abwicklung aller von dem Team zu erledigenden Beihilfefestsetzungen trotz der Beratung des Teamleiters der von ihm erstellten Formulare verantwortlich, sodass diese Tätigkeiten das tarifliche Merkmal der Fachkenntnisse berühren.

Auch Tätigkeiten wie das Einstellen von Informationsblättern auf der Homepage, das Leisten von Redaktionsarbeit mit Linkerstellung zu weiterführenden Homepages und die Abbildung von Urteilen lassen keine Steigerung der Verantwortung erkennen. Aus diesen Tätigkeiten ergeben sich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse von Dritten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die von dem Teamleiter in seinen Beiträgen weitergeleiteten Informationen von erheblicher Bedeutung für die Beihilfeberechtigten sein können; maßgeblich ist, ob ihm insoweit ein Entscheidungsspielraum bzw. eine Mitverantwortung obliegt, dessen Ausschöpfung erhebliche Bedeutung und entsprechende Auswirkungen für die Lebensverhältnisse Dritter haben könnte. Hieran fehlt es, weil die Bedeutung in den Sachentscheidungen im Beihilferecht liegt, die der Teamleiter durch das Bearbeiten des Internet- und lntranetauftritts lediglich zu vermitteln hat. Dass er diese Aufgabe sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß auszuführen hat, entspricht seiner „Normalverantwortung".

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   Lach 2019 WEB

   

Verfasserin und PIW-Trainerin: Rechtsanwältin Britta Ruiters

 

 

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Artikel gelegentlich nur die männliche oder weibliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter (m/w/d).

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