Die freie Mitarbeit

Flexibler Personaleinsatz vs. Haftungsfalle

Das Bedürfnis nach flexibler Personalplanung und einem kostenschonenden sowie anlassbezogenen Personaleinsatz ist in der Praxis nach wie vor ungebrochen. Die freie Mitarbeit bietet Auftraggebern die Möglichkeit, Auftragnehmer*innen punktuell und zielgerichtet einzusetzen, ohne gleichzeitig in eine Arbeitgeberposition einrücken zu müssen.

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Die Praxis

In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass vermeintlich freie Mitarbeitende tatsächlich Arbeitnehmer*innen (und abhängig Beschäftigte im Sinne der Sozialversicherung) waren / sind.

Arbeitnehmer ist nach der gesetzlichen Definition derjenige, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB). Die / der Selbstständige ist hingegen weitestgehend (wenn auch nicht zwingend vollständig) selbstbestimmt und weisungsfrei.

Maßgeblich für die Einordnung des Status des Handelnden in der Sozialversicherung ist der Grad der Selbstständigkeit / Weisungsfreiheit nebst der Eingebundenheit in die Organisation des Auftraggebers. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV gilt weiter: Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Gemäß § 611a Abs. 1 S. 4 und S. 5 BGB ist für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt sich bei der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Maßgeblich ist daher die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses und nicht, was formal vereinbart wurde.

Stellt sich nachträglich heraus, dass die / der Auftragnehmer*in Beschäftigte*r im Sinne der Sozialversicherung (Arbeitnehmer*in) ist / war, können den nun als Arbeitgeber betroffenen Auftraggeber hohe Nachzahlungen im Hinblick auf Sozialversicherungsbeiträge treffen. Neben den finanziellen Folgen kommt in der Regel die strafrechtliche Ahndung der fehlerhaften Einordung in Betracht. Konkret wird häufig eine Strafbarkeit nach § 266a StGB (Veruntreuung von Arbeitsentgelt) verfolgt. Es ist also in mehrfacher Hinsicht Vorsicht geboten.

Die Lösung

Die vorgenannten – nur oberflächlich angerissenen Probleme – lassen sich aber in den Griff bekommen. Zum einen kann schon in der Vertragsgestaltung ein weitestgehend weisungsfreier Raum geschaffen werden. Eine gute Gestaltung der Klauseln des Vertrags bleibt aber wirkungslos, wenn die Vertragsdurchführung doch wieder weisungsgebunden erfolgt. Da die Bewertung des Status anhand einer Gesamtbetrachtung erfolgt, ist eine Prüfung im Einzelfall zwingend anzuraten und zwar im Vorfeld der Tätigkeitsaufnahme. Eine Orientierung bieten die Gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherung (abrufbar z. B. unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/summa-summarum/Rundschreiben/rundschreiben.html). Bei verbleibenden Unsicherheiten über den richtigen Status sollte das „behördliche“ Statusfeststellungsverfahren (vgl. etwa § 7a SGB IV) im Vorfeld der Tätigkeitsaufnahme eingeleitet werden. Hier wird dann verbindlich entschieden, was der Status der Tätigkeit ist – so sie denn auch wie angegeben durchgeführt wird.

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Unsere Seminarempfehlung

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(Artikel erstellt am 22.06.2022)

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Der Verfasser

Klostermann WEB rund 1

Dr. Christian Klostermann-Schneider
Rechtsanwalt und PIW-Trainer

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Trainingsschwerpunkte

  • Individualarbeitsrecht
  • Tarifrecht im öffentlichen Dienst und artverwandte Tarifverträge
  • Beamtenrecht des Bundes und einzelner Länder (insbesondere Zurruhesetzungsverfahren und Disziplinarrecht; Konkurrentenstreitigkeiten)
  • Eingruppierungsrecht im öffentlichen Dienst
  • Personalvertretungsrecht (Bund und Länder)
  • Beschäftigtendatenschutz
  • Schwerbehindertenrecht


 

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Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Artikel gelegentlich nur die männliche oder weibliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter (m/w/d).

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