Was ist ein Praxissemester laut BAG?

Kommentar zum Urteil: BAG 02.06.2021 - 4 AZN 156/21

LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 01.12.2020; Aktenzeichen 16 Sa 1817/18)

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Eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung i.S.d. § 7 Satz 1 Buchst. a TV EntgeltO Bund setzt nach § 7 Satz 3 TV EntgeltO Bund (vgl. ebenso PE Nr.1 Abs. 3 EGO TV-L; Vorbemerkung EntgO (VKA) Nr. 3 Satz 3) unter anderem voraus, dass die Abschlussprüfung in einem Studiengang abgelegt wurde, der für den Abschluss eine Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern – ohne etwaige Praxissemester, Prüfungssemester o. Ä. – vorschreibt. Das BAG hat nunmehr den Begriff des Praxissemesters näher definiert. Praxissemester sind nur solche Semester, in denen ausschließlich praktische Arbeiten erbracht werden. „Praktische Zeiten”, die während anderer Semester erbracht werden, sind nicht von der Regelstudienzeit abzuziehen.

Geklagt hatte eine Beschäftigte, die das Studium „Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten“ an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart absolviert hatte. Die Studienordnung für diesen Studiengang sieht eine Regelstudienzeit von zehn Semestern einschließlich aller Prüfungen und der Diplomarbeit vor.

Der Arbeitgeber war der Ansicht, der Studiengang erfordere keine Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern. Außer einem Prüfungssemester seien von der in der Studienordnung angegebenen Regelstudienzeit die Zeiten abzuziehen, in denen praktische Studienleistungen zu erbringen seien. Diese seien zu addieren und in Semester umzurechnen.

Das Bundesarbeitsgericht ist anderer Ansicht. Danach sind Praxissemester i.S.d. Tarifnorm nur solche Semester, in denen ausschließlich praktische Arbeiten erbracht werden.

Die Tarifvertragsparteien haben im Wortlaut der Entgeltordnung bewusst keinen Bezug auf die Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 HRG genommen. In dieser gesetzlichen Vorschrift werden auch Zeiten berufspraktischer Tätigkeit und Prüfungszeiten erwähnt. Die Tarifvertragsparteien haben dagegen ausschließlich „Praxissemester, Prüfungssemester o. Ä. erwähnt. Daher sind andere Zeiten nicht zu berücksichtigen. Aus dem Zusatz „o. Ä.“ folgt kein anderes Ergebnis. Dieser bezieht sich nicht auf den festgelegten Zeitraum „Semester“, sondern auf die Inhalte der Semester „Praxis“ und „Prüfung“.

Darüber hinaus sprechen Sinn und Zweck der Regelung für eine solche Auslegung. Anzahl und Dauer vollständiger Praxissemester lassen sich – auch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt – ohne weiteres der jeweils maßgebenden Studienordnung entnehmen. Demgegenüber erscheint es fraglich, ob dies auch hinsichtlich aller „praktischen Zeiten“ möglich ist. Darüber hinaus wäre nicht eindeutig bestimmt, unter welchen Voraussetzungen solche anzunehmen sind und nach welchen Maßgaben deren „Addition“ erfolgen sollte, um von einem „Semester“ ausgehen zu können.

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Verfasserin und PIW-Trainerin: Rechtsanwältin Britta Ruiters

 

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