Der Bewerbungsverfahrensanspruch von (schwerbehinderten) Bewerbenden bei befristeten Stellenausschreibungen

Kommentar zum Beschluss des BAG, Urteil v. 29.02.2024, 8 AZR 187/23

Öffentliche Arbeitgeber können im Rahmen ihres Organisationsermessens Stellen grundsätzlich auch befristet ausschreiben und Bewerbende, die aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Regelungen nicht (mehr) wirksam befristet eingestellt werden können, vom Bewerbungsverfahren ausschließen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem neuen Urteil vom 29.02.2024 (BAG, Urteil v. 29.02.2024, 8 AZR 187/23) mit der Frage beschäftigt, ob Bewerbende, welche nicht mehr wirksam befristet eingestellt werden können, im Rahmen des Auswahlverfahrens nach Artikel 33 Grundgesetz (GG) berücksichtigt werden müssen.

Bewerbende können beispielsweise dann nicht mehr wirksam befristet eingestellt werden, wenn sie mit dem ausschreibenden Arbeitgeber bereits in einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden haben (Vorabbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG) oder wenn die Gefahr einer Rechtsmissbräuchlichkeit durch eine sog. Kettenbefristung besteht (BAG, Urteil vom 26. 10. 2016 – 7 AZR 135/15).

Bewerberausschluss bei Vorbeschäftigung oder Gefahr der Kettenbefristung

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Das BAG hat bereits im Jahr 2016 in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass Sachgrundbefristungen zwar grundsätzlich zulässig sind, jedoch ab einer bestimmten Anzahl von Verträgen und/oder ab einer bestimmten Vertragsdauer eine Missbrauchskontrolle vorgenommen werden muss, um die Gefahr von Kettenbefristungen zu umgehen (sog. „Befristungsampel“). Das Gericht führte aus, dass grundsätzlich immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist, jedoch ab einer Gesamtbeschäftigungsdauer von mehr als acht Jahren oder bei mehr als zwölf Vertragsverlängerungen eine Missbrauchskontrolle indiziert ist, wobei in diesen Fällen der / die Arbeitnehmende in der vollen Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines etwaigen Rechtsmissbrauchs durch Kettenarbeitsverhältnisse ist. Darüber hinausgehende Beschäftigungszeiten (mehr als zehn Jahre) oder Vertragsverlängerungen (mehr als 15 Vertragsverlängerungen) führen hingegen zu einer Missbrauchsvermutung durch Kettenarbeitsvertragsgestaltungen, die vom Arbeitgeber, der dann in der Beweislast ist, jedoch widerlegt werden kann. Soweit ein Gericht im Rahmen einer Überprüfung einen Rechtsmissbrauch durch Kettenarbeitsverträge feststellt, so ist die Befristung unwirksam, und in der Folge gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Dauer geschlossen, § 16 TzBfG.

Im aktuellen Fall vom Februar 2024 hat sich der Kläger auf eine sachgrundbefristete Stellenausschreibung der beklagten Universität beworben und wurde in der Folge jedoch nicht berücksichtigt, da aufgrund der Vorbeschäftigungsverhältnisse die Gefahr einer Kettenbefristung bestand. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Fall die Ablehnung des Bewerbers bestätigt, da mit ihm kein erneutes, wirksam sachgrundbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden konnte. Auch sein Status als schwerbehinderter Bewerber und die bestehende Inklusionsvereinbarung ändern nichts an dieser Ausgangslage, so das Gericht.

Status von schwerbehinderten Bewerbenden

Im Ergebnis bedeutet dies für öffentliche Arbeitgeber, dass Bewerbende mit einem Vorabbeschäftigungsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bei sachgrundlos befristeten Stellenausschreibungen oder mit einer umfangreichen Vorbeschäftigungshistorie, welche die Grenzen der Befristungsampel des BAG überschreitet, bei Sachgrundbefristungen nicht weiter im Auswahlverfahren berücksichtigt werden müssen. Zudem besteht in einer solchen Konstellation nach Auffassung des Verfassers auch keine weitere Einladungsverpflichtung öffentlicher Arbeitgeber zum Vorstellungsgespräch nach § 165 SGB IX.

(Artikel erstellt am 29.05.2024)

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Der Verfasser

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Tobias R. Thauer
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