Keinen Anspruch auf Entschädigung von Schwerbehinderten bei Auswahlverfahren?
Kommentar zum Beschluss des LAG Hamm 30.03.2023 – 11 Sa 878/22, ebenso BVerwG 10.12.2020 – BVerwG 2 C 12.20
Kein Anspruch auf Entschädigung bei rechtmäßigem Abbruch des Auswahlverfahrens
Bricht ein Arbeitgeber ein Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen ab, haben Bewerbende – auch wenn sie schwerbehindert sind – keinen Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz.
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt Bewerbenden im öffentlichen Dienst einen Anspruch auf Auswahl nach Leistung, Eignung und Befähigung. Bezweifelt ein unterlegener Bewerber die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung, eröffnet die Beantragung einstweiligen Rechtschutzes die Möglichkeit der Freihaltung der Stelle. Erkennt der Dienstherr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, dass sein Verfahren an nicht behebbaren Mängeln leidet, kann er das Auswahlverfahren abbrechen.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied bereits am 10.12.2020, dass den Bewerbenden in diesem Fall wegen der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruch durch die erste fehlerhafte Auswahlentscheidung kein Schadens- oder Entschädigungsanspruch zusteht. Durch die vorläufige Untersagung der Vergabe des Amtes sei dem Bewerbungsverfahrensanspruch ausreichend Rechnung getragen.
Nunmehr hat das LAG Hamm in einer AGG-Klage eines schwerbehinderten Bewerbenden vergleichbar entschieden. Ein schwerbehinderter Bewerber war nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, da der Arbeitgeber das Verfahren abgebrochen hatte. Der Arbeitgeber wollte die Stelle aus personalwirtschaftlichen Gründen nunmehr rein intern besetzen. Tatsächlich führte der Arbeitgeber kein einziges Vorstellungsgespräch und besetzte die Stelle mit einem Auszubildenden.
Das LAG Hamm hat keinen Verstoß gegen das AGG festgestellt, denn wegen des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens habe keine Notwendigkeit mehr bestanden, ein Vorstellungsgespräch durchzuführen. Auch habe der Arbeitgeber aufgrund des Abbruchs mit keinem Bewerber ein Vorstellungsgespräch geführt, so dass der schwerbehinderte Bewerber keine ungünstigere Behandlung als die übrigen, nicht schwerbehinderten Bewerbenden erfahren hätte. Der Abbruch des Bewerbungsverfahrens sei vielmehr ein Gegenbeweis dafür, dass für die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch andere Gründe als die Schwerbehinderung erheblich gewesen seien.
Beendigung des Auswahlverfahrens ohne Ergebnis
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Auswahlverfahren ohne Ergebnis beendet werden können, dafür jedoch hinreichend sachliche Gründe erforderlich sind. In diesem Fall drohen keine Schadensersatz oder Entschädigungsansprüche.
Sachliche Gründe sind beispielsweise:
- Das Auswahlverfahren ist fehlerhaft und kann deshalb nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen.
- Alle Bewerberinnen und Bewerber entsprechen nicht den Erwartungen des Dienstherrn /Arbeitgebers.
- Mit einer neuen Ausschreibung soll eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerberinnen und Bewerber gefunden werden.
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Die Verfasserin
RAin Britta Ruiters
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin
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(Artikel erstellt am 07.11.2023)
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