Dauer der Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen im öD
Mit der letzten Novellierung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) wurde im § 15 Abs. 3 TzBfG durch den Gesetzgeber bestimmt, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen nach § 14 TzBfG die Probezeit in einem angemessenen Verhältnis zur beabsichtigten Dauer des Arbeitsverhältnisses stehen muss. Für die Personalverwaltungen der öffentlichen und privaten Arbeitgeber stellt sich daher die Frage, wie lang eine etwaige Probezeit unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses der sein darf.
Aufgrund der Regelungen des § 622 Abs. 3 BGB ist eine maximal sechsmonatige Probezeit arbeitsvertraglich zulässig. Innerhalb dieser Probezeit, die von der Wartezeit des § 1 KSchG zu unterscheiden ist, verkürzt sich die Kündigungsfrist beider Arbeitsvertragsparteien auf zwei Wochen. Öffentliche Arbeitgeber im Anwendungsbereich des TVöD-Bund/VKA und TV-L müssen zudem die ergänzenden Regelungen der Tarifverträge für ihre Beschäftigten berücksichtigen, nach denen die Kündigungsfrist innerhalb einer eventuellen Probezeit nach § 2 Abs. 4 Satz TVöD-Bund/VKA und TV-L abweichend von der gesetzlichen Regelung auf zwei Wochen zum Ende eines Monats bestimmt ist (§ 34 Abs. 1 Satz1 TVöD-Bund/VKA und TV-L).
Sechswöchige Probezeit bei sachgrundlosen Befristungen im öffentlichen Dienst
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes TVöD und TV-L im Anwendungsbereich des Bundes, der Länder und der Kommunen sahen bereits vor der letzten Novellierung des TzBfG kürzere Probezeiten für kalendermäßig befristete Arbeitsverträge vor, soweit das Arbeitsverhältnis u.a. im Geltungsbereich des Tarifgebietes West geschlossen wurde (§ 30 Abs. 1, Abs. 4 TVÖD-Bund/VKA und TV-L). So beträgt die tarifvertraglich zulässige Probezeit für sachgrundlos (kalendermäßig) befristete Arbeitsverträge sechs Wochen; die Probezeit für Befristungen mit Sachgrund beträgt tarifvertraglich unverändert sechs Monate, § 30 Abs. 4 Satz 1 TVöD-Bund/VKA und TV-L.
Durch die Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes müssen die Personalverwaltungen der öffentlichen Arbeitgeber mittlerweile unabhängig von Befristungsart und Anwendungsbereich der Tarifverträge auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Arbeitsvertragsdauer und Probezeit unter Berücksichtigung der ergänzenden tarifvertraglichen Regelungen achten.
EU-Richtlinie für die Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) in deutsches Recht hatte das Europäische Parlament in einem Änderungsantrag zu den Erwägungsgründen der EU-Richtline ¼ der Vertragslaufzeit als Richtwert bis zu einer Befristung von 12 Monaten zugrunde legen wollen. Letztendlich wurde dieser Richtwert jedoch nicht übernommen, so dass die notwendige Verhältnismäßigkeit nicht weiter definiert wurde.
Urteile deutscher LAGs
Folgend hat die deutsche Rechtsprechung inzwischen Richtwerte zur Verhältnismäßigkeit herausgearbeitet: Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil v. 18. Oktober 2023 – 3 Sa 81/23) entschied zuletzt einen Fall zur Dauer der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Nach Ansicht des Gerichts darf die Probezeit die Hälfte des voraussichtlichen Befristungszeitraums umfassen. In Ausnahmefällen sei aufgrund besonderer Tätigkeiten auch eine längere Befristung möglich. Welche Arten von Tätigkeiten dies sein könnten, lies das LAG leider offen. Das LAG Berlin-Brandenburg demgegenüber hat jedoch in seinem neueren Urteil vom 02.07.2024 (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23) festgestellt, dass maximal ein 25% der Vertragslaufzeit als Probezeit als angemessen angesehen werden kann. Beide LAG haben die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen, so dass an dieser Stelle noch abschließender Regelungsbedarf besteht.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung haben die Personalverwaltungen der öffentlichen Arbeitgeber zwischenzeitlich einen Spielraum zwischen ¼ und maximal ½ der Laufzeit des beabsichtigten Arbeitsverhältnisses, der als Probezeit zu vereinbaren wäre. Aus Gründen der Risikominimierung sollte nach Auffassung des Verfassers maximal 25% der Vertragslaufzeit als Probezeit vereinbart werden. Bei kalendermäßig befristeten Arbeitsverträgen, die dem Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1, 4 TVöD-Bund/VKA und TV-L unterliegen, beträgt die zulässige Probezeit weiterhin aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen sechs Wochen.
Praxishinweis für die Personalverwaltungen
Unbeschadet der tarifvertraglichen Regelungen der öffentlichen Arbeitgeber für kalendermäßig befristete Arbeitsverhältnisse stellt sich inzwischen auch bei allen anderen befristeten Arbeitsverträgen im gesamten Tarifgebiet die Frage, wie lang die Probezeit eines befristeten Arbeitsvertrags sein darf. Derzeit sollte im Normalfall 25% der Vertragslaufzeit, in Ausnahmefällen die Hälfte der Vertragslaufzeit vereinbart werden, höchstens jedoch sechs Monate nach Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bzw. sechs Wochen entsprechend der tarifvertraglichen Regelungen. Maßgeblich für die Dauer der zugrundeliegenden Probezeit ist nach Auffassung des Verfassers die beabsichtigte Vertragslaufzeit (Prognoseentscheidung des Arbeitgebers bei Vertragsschluss). Eventuell zulässige und später realisierte Vertragsverlängerungen sollten bei der Bemessung unberücksichtigt bleiben.
(Artikel erstellt am 29.10.2024)
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Der Verfasser
Tobias R. Thauer
PIW-Trainer
Beratungs- und Trainingsschwerpunkte
- Das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes
- TVöD-VKA / Bund und TV-L
- Eingruppierung (Erfahrungsstufen, §§ 16, 17 TVöD-VKA / Bund und TV-L)
- Gesetzliches und tarifvertragliches Befristungsrecht
- Urlaubsrecht
- Beschäftigungszeiten im TVöD-VKA / Bund und TV-L inkl. Überleitungstarifverträge
- Das Recht der schwerbehinderten Menschen für Arbeitgebende
- Nebentätigkeitsrecht
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