Zwischen Verfassungstreue und privater Meinungsfreiheit
Zur Entscheidung des VGH München vom 19.02.2025
Dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.02.2025 (Az. 16a D 23.1023) lag ein Disziplinarverfahren gegen einen Polizeibeamten zugrunde, dem verschiedene außerdienstliche Pflichtverletzungen vorgeworfen wurden. Insbesondere ging es um Chatnachrichten, die der Beamte in einer WhatsApp-Gruppe mit mehreren anderen Personen verfasst oder kommentarlos weitergeleitet hatte. Der Inhalt dieser Nachrichten umfasste rassistische, antisemitische und menschenverachtende Äußerungen, darunter das Verwenden von NS-bezogenen Abkürzungen, gewaltverherrlichende Kommentare und Äußerungen über Personen, zu deren Schutz er dienstlich eingesetzt gewesen war.
Zudem wurde dem Beamten vorgeworfen, in mehreren Fällen dienstlich erlangte Informationen an unbefugte Dritte weitergegeben zu haben. Hierzu zählten etwa Angaben aus polizeilichen Ermittlungsverfahren oder dienstinterne Informationen, die im Rahmen seiner Tätigkeit als Personenschützer bekannt geworden waren. Das Verwaltungsgericht München hatte in erster Instanz eine Herabstufung des Beamten um zwei Besoldungsgruppen ausgesprochen. Der Dienstherr verfolgte im Berufungsverfahren weiterhin die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, während der Beamte seinerseits eine Milderung der Disziplinarmaßnahme anstrebte.
Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die außerdienstlichen Äußerungen in privaten Chatnachrichten grundsätzlich dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterfallen. Es handele sich um eine vertrauliche Kommunikation innerhalb eines geschlossenen und überschaubaren Personenkreises. Die Äußerungen seien weder öffentlich verbreitet noch an einen größeren Empfängerkreis gerichtet gewesen. Zudem könne nicht mit der erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, dass die Aussagen die verfassungsfeindliche Haltung des Beamten zum Ausdruck brächten. Nach den Gesamtumständen spreche vieles dafür, dass die Äußerungen überspitzt, polemisch oder provokant gemeint gewesen seien und nicht als ernsthaftes Bekenntnis zu einer extremistischen Ideologie zu werten seien.
Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats sei für eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis erforderlich, dass ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten sei. Das setze eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung voraus, die den Beamten nicht nur disziplinarisch, sondern auch persönlich und charakterlich für den weiteren Dienst untragbar erscheinen lasse. Dies könne bei verfassungsfeindlichen Äußerungen oder Haltungen auch außerhalb des Dienstes der Fall sein, wenn sie Rückschlüsse auf die mangelnde persönliche Eignung für das Beamtenverhältnis zuließen. Im vorliegenden Fall lasse sich eine solche persönliche Ungeeignetheit nicht feststellen.
Die vom Beamten getätigten Aussagen seien zwar inhaltlich geeignet, das Ansehen der Polizei zu beeinträchtigen, sie seien aber nicht so beschaffen, dass sie zwingend auf eine fest verankerte innere Einstellung schließen ließen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Beamte sich in einer dienstlich belastenden Phase befunden habe und die Äußerungen über mehrere Jahre zurücklägen. Der VGH stellte ferner fest, dass dem Beamten das pflichtwidrige Unterlassen eines Widerspruchs gegenüber extremistischen Äußerungen Dritter innerhalb der Chatgruppe als eigenständige Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne.
Als weitere Dienstpflichtverletzungen bejahte das Gericht die unbefugte Weitergabe dienstlich erlangter Informationen in vier dokumentierten Fällen. Diese hätten den Schutz von dienstlichen Belangen und die Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt. Diese Vorgänge seien disziplinarisch erheblich, insbesondere da der Beamte in einer besonders vertraulichen Einsatzfunktion tätig gewesen sei. Dennoch sei auch insoweit nicht von einem vollständigen Vertrauensverlust auszugehen, zumal sich die Weitergaben auf konkrete Anfragen bezogen hätten und keine gezielte Weiterleitung an die Öffentlichkeit stattgefunden habe.
Der Verwaltungsgerichtshof kam daher zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis nicht vorlägen. Zugleich hielt das Gericht die disziplinarische Maßnahme der Vorinstanz – eine Herabstufung um zwei Besoldungsgruppen – für übermäßig. Unter Würdigung aller Umstände sei eine Herabstufung um eine Besoldungsgruppe ausreichend und verhältnismäßig. Dabei sei auch der bisherige dienstliche Werdegang des Beamten sowie das Fehlen einschlägiger Voreintragungen berücksichtigt worden.
(Artikel erstellt am 18.07.2025)
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Die Verfasserin
RAin Britta Ruiters
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