Neues vom BAG zur sachgrundlosen Befristung

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Schriftformerfordernis bei vorzeitigen Vertragsbeginn

Das Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG wird von den Arbeitsgerichten sehr streng ausgelegt. Nicht wenige Befristungskontrollklagen verdanken ihren Erfolg einer Nichtbeachtung dieses Formerfordernisses mit der Folge, dass die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag als unwirksam angesehen wird und nach § 16 TzBfG ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entsteht.  Im vorliegenden Fall lässt das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 16.8.2023 - 7 AZR 300/22) allerdings eine weniger strenge Auslegung des Schriftformerfordernisses erkennen.

Die Arbeitsvertragsparteien unterzeichneten einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag, auf dessen erster Seite die Vertragslaufzeit mit einem Zeitraum vom 15.05.2019 bis zum 30.09.2019 bezeichnet wird. Nach Vertragsunterzeichnung, aber noch vor Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger einigten sich die Parteien auf einen früheren Arbeitsbeginn, was nach bisheriger Rechtsprechung des BAG auch als unkritisch anzusehen ist, zumindest was das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG betrifft (BAG, Urteil vom 12.6.2019 – 7 AZR 548/17). In diesem Fall einigten sich die Arbeitsvertragsparteien jedoch lediglich mündlich auf einen vorzeitigen Vertragsbeginn. Die Beklagte übersandte dem Kläger auf Basis dieser mündlichen Abrede eine abgeänderte erste Seite des Arbeitsvertrags, in der eine befristete Einstellung bereits ab dem 01.05.2019 bis zum 30.09.2019 ausgewiesen war. Die Beklagte verband dies mit der Bitte, die erste Seite des Vertrags auszutauschen und die bisherige erste Seite zurückzusenden. Der Kläger kam dieser Bitte jedoch nicht nach, nahm jedoch seine Tätigkeit vertragsgemäß am 04.05.2019 auf.

Der Kläger vertrat im Rahmen seiner folgenden Entfristungsklage die Auffassung, die Befristungsabrede entspreche nicht dem Schriftformgebot. Das BAG sah dies anders und begründet dies wie folgt: „Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG dient dazu, angesichts der besonderen Bedeutung der Befristung, die automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten […]. Dem Arbeitnehmer soll außerdem deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis – anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags – mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird. […] Ist ein konkretes Datum als Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich festgehalten, tangiert die Angabe des Beginns des Arbeitsverhältnisses weder den klarstellenden und warnenden noch den beweissichernden Zweck des § 14 Abs. 4 TzBfG. Unabhängig vom Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses ist bei einer schriftlichen datumsmäßigen Benennung eines „Endtermins“ – hier „30. September 2019“ – für den Arbeitnehmer klar erkennbar, zu welchem Zeitpunkt es enden soll“ (aaO., Rn. 26).

Ergebnis: Auch wenn das Bundesarbeitsgericht an dieser Stelle mit Blick auf das strenge Schriftformerfordernis Milde zeigt, so ist die unbedingte Berücksichtigung dieser Formvorschrift auch bei einem vorzeitigen Vertragsbeginn in der Praxis unbedingt zu berücksichtigen. Zudem führt der vorzeitige Arbeitsvertragsbeginn nicht zu einer Unwirksamkeit der Befristungsabrede durch eine etwaige Vorbeschäftigung auf Basis des ursprünglichen Vertrags mit dem späteren Vertragsbeginn.

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Urlaubsgewährung führt nicht zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag

Im zweiten Fall musste sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage beschäftigen, ob die Gewährung von Urlaubsansprüchen nach dem Ende der Befristung zu einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit führt (BAG, Urteil vom 9. Februar 2023, Az: 7 AZR 266/22).

15 Abs. 6 TzBfG sieht für den Fall, dass ein Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird, eine gesetzliche Fiktion vor. Widerspricht der Arbeitgeber nicht unverzüglich der Fortführung oder teilt dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mit, so gilt das Arbeitsverhältnis "als auf unbestimmte Zeit verlängert".

Anders sieht dies jedoch das Bundesarbeitsgericht, wenn der Arbeitgeber einem Beschäftigten über den Beendigungszeitpunkt hinaus noch offene Urlaubsansprüche gewährt.

Im entschiedenen Fall stand der Kläger in einem befristeten Arbeitsverhältnis, das zum 30.09.2020 enden sollte. Die Beklagte gewährte dem Kläger Anfang September 2020 noch Urlaubsanspruch bis in den Oktober 2020 hinein, mithin nach eigentlich vereinbartem Ende der Befristung. Der Arbeitnehmer klagte, nachdem es nicht zum Abschluss eines Folgearbeitsvertrags kam, auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2020, da sein Arbeitsverhältnis mit Wissen der Beklagten über den 30.09.2020 hinaus durch die Urlaubsgewährung fortgesetzt worden sei. 

Das Bundesarbeitsgericht war jedoch anderer Ansicht: die gesetzliche Regelung beruhe auf der Erwägung, dass die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens beider Arbeitsvertragsparteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ist. Dafür muss der Arbeitnehmer jedoch eine tatsächliche Arbeitsleistung erbringen. Es genüge nicht, so das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber einseitig seine Leistungspflichten durch die Urlaubsgewährung erfülle, während der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung (mehr) erbringe.

Ergebnis: Die bloße Urlaubsgewährung über das vereinbarte Ende eines befristeten Arbeitsvertrags führt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht zu einer stillschweigenden Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit.

(Artikel erstellt am 05.02.2024)

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Der Verfasser

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Tobias R. Thauer
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